Die Galerie im KuBa zeigt in einer umfangreichen Werkschau Arbeiten der Fotografin und aktuellen Kunstpreisträgerin des Saarlandes, Ingeborg Knigge, die seit vielen Jahren in der Qualität ihrer künstlerischen Tätigkeit überzeugt.
Im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitungsmöglichkeiten zeichnen sich die Fotografien von Ingeborg Knigge durch einen hohen Grad an Authentizität aus. Kein Bild wird nachträglich in seinem Realitätscharakter manipuliert, die Wirklichkeit des Motivs bleibt gewahrt.
Im Zentrum der Ausstellung steht die Werkserie Have you done your duty – Hast Du deine Pflicht getan, die Ingeborg Knigge seit 1991 als fotografisches Tagebuch führt. Die Verrichtung alltäglicher Hausarbeiten wird dabei bildlich dokumentiert – Waschen, Bügeln, Sockenstopfen, Schuheputzen und so fort. Die Bilder zeigen Variationen der immer gleichen Tätigkeiten und Motive als Interieurs, Stillleben, Momentaufnahmen mit bisweilen biografischen Verweisen oder indirekten Angaben zu Lebensumständen, Jahreszeiten und Orten, an denen die Aufnahmen entstanden sind.
Diese vermeintlichen Nebensächlichkeiten, die unbedeutsamen Alltagsereignisse werden in den Fotografien von Ingeborg Knigge zu situativen Porträts in bewusster Inszenierung zwischen dokumentarischer Sachaufnahme und sorgfältiger Komposition. Zur durchschnittlichen Normalität der täglichen Pflicht zählt hierbei auch das konsequente Konzept des fotografischen Tagebuchs.
Jährlich entstehen so etwa 300 Einzelbilder, mittlerweile umfasst die Serie mehr als 8000 Fotografien.
Ihren Beginn nahm die Reihe am 22. April 1991 in Brüssel. Ingeborg Knigge erzählt, es sei ein düsterer Nachmittag gewesen – einer dieser Tage, an denen man sich zu nichts aufraffen kann, obwohl man weiß, dass man eigentlich etwas machen müsste. Die antriebslose Künstlerin dachte sich: »Du hättest ja mal wenigstens die Glasscheiben am Küchenschrank sauber machen können«. Das tat sie und hielt das Arbeitsergebnis fotografisch fest. Seitdem – in den vergangenen 32 Jahren – werden Elemente täglicher Verrichtungen bildlich dokumentiert.
Im Treppenaufgang zur Galerie sind, beginnend mit der Initiale, die gereinigten Glasscheiben des Küchenschranks, die Geburtstagsbilder aus jedem Jahr vom 22. April zu sehen.
Die Außenwände des Galerieraumes umläuft ein durchgehender Bildfries, der links vom Galerieeingang mit Montag, dem 11. Juni 2018 beginnt – die Fotografie einer Spüle, auf der ein Schwamm abgelegt ist. Der Fries soll, von diesem Bild ausgehend, von links nach rechts – an den Wänden des Raumes entlang – gelesen werden. Er mündet in der Abschlussfotografie vom Sonntag, 23. Dezember 2018 – ein über einem Eimer zum Trocknen abgelegter Putzlappen mit Froschmotiv.
Ein in Bilder gefasster Zeitstrahl, der sich über ein halbes Jahr erstreckt.
Kleinformate, hoch und quer, sind auf gleiche Unterseitenhöhe eng beieinander gehängt, größere Formate brechen aus diesem System aus und setzen Akzente in der rhythmisierten Bildreihung, fallen mehr in den Blick, scheinen eine andere Gewichtung einzunehmen.
Die Motive sehend abzugehen, beinhaltet zugleich auch, den Ereigniszeitraum des halben Jahres als in Ereignissen erzählte Zeit abzuschreiten. Auch wenn Bildinhalte ähnlich sind, sich die Dokumentation der erfüllten Pflicht zu gleichen scheint, so sind die Bildergebnisse dennoch nicht identisch.
Innerhalb der Serie entfaltet sich ein breites Spektrum – von Nahaufnahme bis Panorama können, je nach vorrangigem Bildinteresse, innerhalb des konzeptionellen Rahmens Motivauswahl oder Ausschnitt weit gefasst werden. Manche Bildsituationen scheinen sich offensichtlich zu erklären – Spüle und Schwamm verweisen auf den Abwasch, Bügeleisen oder Bügelbrett auf das Glätten von Kleidungsstücken, aufgehängte Wäsche eben auf das Aufhängen von Wäsche, Putzeimer und Lappen auf das Putzen – soweit so banal und normal.
Ingeborg Knigge gewährt hier intime Einblicke in ihren Alltag, in ihr Leben, mit Ereignisresultaten, die dennoch überindividuell sind – mit denen wir alle etwas anfangen können, weil wir diese Tätigkeiten größtenteils auch selbst ausführen, sofern wir das überhaupt noch tun.
Das Intime ergibt sich auch aus den Geschichten hinter den Bildern – Putzlappen und Eimer. Alle zwei Wochen unterstützt Ingeborg Knigge Ihre Schwiegermutter beim Hausputz. Eimer und Lappen werden nach getaner Arbeit arrangiert und ins Bild gesetzt, werden damit gleichsam zu Akteuren einer nicht abzuschließenden Erzählhandlung.
Das tagebuchartige Konzept hält ausgewählte Momente fest, es sind keine beliebigen Schnappschüsse, sondern sorgsam in Szene gesetzte Arbeitsergebnisse – sowohl der Arbeit selbst als auch der fotografischen Dokumentationsleistung.
Roland Augustin, der Leiter der fotografischen Sammlung des Saarlandmuseums, schreibt zur Serie Have you done your duty: »Die sorgfältig komponierten Bilder vermitteln den Eindruck hoher Wertigkeit von Arbeiten wie Bügeln, Putzen, Reparieren. Die Sorgfalt, die dem Arrangement der Dinge beigemessen wird, erinnert an das Vorgehen der Fotografen der Neuen Sachlichkeit. Mit Hingabe werden die charakteristischen Eigenschaften der sichtbaren Materialien akzentuiert. Das passiert aber auf eine Art, die nur wenig mit suggestiver Werbefotografie zu tun hat. (...) Der größte Unterschied zur suggestiven Sachfotografie liegt bei Knigge in der Vermeidung von Effekten des Spektakulären oder des Sensationellen. (...) Es gibt keine extremen Kontraste, keinen Inszenierungszauber. Und doch erscheint ein Stapel Bügelwäsche vor dunklem Hintergrund als würdiges Monument der Arbeit, die zu diesem Ergebnis führt.« (Institut für aktuelle Kunst: Künstlerlexikon Knigge, Ingeborg)
Es ist also kein Zufallsprodukt, wenn die Gartenschere auf dem Grünschnitt im Eimer liegt, es ist keine Beliebigkeit, wenn der Korb mit der gebügelten Wäsche zwischen den Klappbeinen des Bügelbretts zu stehen kommt. Ebenso ist es nicht unerheblich, wie die Spiegelungen der polierten Badezimmerarmatur in Erscheinung treten. Auch fließen Statements zu Elementen unserer Bildkultur ein. In einem Arrangement von Gießkannen und Geranien an einer pittoresken Treppe werden Assoziationen zu konventionellen Postkartenmotiven wachgerufen.
Und bei alledem spielt die aus der Reihung hervorgehende Konstellation eine große Rolle. Es entstehen dabei kompositionelle Bezüge. Motive, die formal aufeinander reagieren oder zum Teil auch auseinander hervorzugehen scheinen. Bei den größeren Formaten sind wir geneigt, einen höheren Bildwert oder eine gesteigerte Kompositionshaltung zu vermuten, was allerdings irreführend ist.
Um dies zu relativieren, hat Ingeborg Knigge an der mittleren Trennwand der Galerie nochmals größere Formate platziert – Fotografien, die auch im »Zeitstrahl« erscheinen; so generiert die Künstlerin mittels der Hängung Blickachsen innerhalb der Größenkonstellationen.
© Alle Rechte liegen beim Autor. 21. April 2023